Bestimmung der Planetaren Grenzschicht in komplexer Topographie
Auf dem Jungfraujoch werden im Rahmen diverser Forschungsprojekte und -programme Messungen von Spurengasen und Aerosolen mit höchster Präzision durchgeführt. Um aber zu verstehen, inwiefern diese Daten repräsentativ für das globale Klima sind, muss der Einfluss lokaler Gegebenheiten auf diese Messungen bekannt sein. Zu diesem Zweck wird mit einem Lasergestützten Messgerät die so genannte Grenzschichthöhe bestimmt. Aus der Rückstreuung kann die Schichtung der Atmosphäre sichtbar gemacht und daraus die Grenzschicht abgeleitet werden.
Von Alexander Haefele
Die planetare Grenzschicht
Die untersten Kilometer der Atmosphäre werden als planetare Grenzschicht bezeichnet; darüber liegt die freie Atmosphäre. Die Bezeichnung stammt daher, dass diese Grenzschicht stark durch die Bodenoberfläche beeinflusst wird und wegen der thermischen Struktur von der freien Atmosphäre zu einem gewissen Grad isoliert ist. Der Bodeneinfluss ist sowohl mechanischer Art, z.B. Produktion von Turbulenz, als auch von chemischer Art. Denn die Bodenoberfläche ist eine dominante Quelle von gewissen natürlichen (z.B. Wasserdampf) und anthropogenen Spurengasen (z.B. Stickoxide) sowie von kleinen Partikeln, so genannten Aerosolen. Diese Aerosole sind ebenfalls sowohl natürlicher (z.B. Sand, natürlicher Rauch, Pollen) als auch anthropogener Herkunft (z.B. Sulfate aus Verbrennungsprozessen).
Klimamessungen auf dem Jungfraujoch
Wie bereits in einem anderen Showcase beschrieben, werden auf dem Jungfraujoch hochpräzise Messungen von Spurengasen und Aerosolen durchgeführt, um die zeitliche Entwicklung dieser Komponenten zu erfassen und Prozesse zu studieren. Mit ca. 3500 m.ü.M. und somit etwa 3 km über dem Schweizer Mittelland, befindet sich die Forschungsstation des Jungfraujochs meistens in der freien Atmosphäre. Damit sind die Messungen meistens repräsentativ für die freie Atmosphäre, und somit relevant für den globalen Klimawandel. Aber eben nur meistens! Jedes Mal wenn das Junfgraujoch von der planetaren Grenzschicht eingehüllt wird, sind seine Messungen von den lokalen Bedingungen geprägt, d.h. vor Allem von den industriellen Aktivitäten im Schweizer Mittelland.
Die Messung der planetaren Grenzschicht
Um zu wissen, bis auf welche Höhe sich die Grenzschicht erstreckt, wurde die MeteoSchweiz von der EMPA im Rahmen von ICOS-CH beauftragt, die Höhe der planetaren Grenzschicht in der Umgebung des Jungfraujoch zu messen. Da die Grenzschicht eine hohe Konzentration an Aerosolen aufweist, können diese als Marker verwendet werden. Mit einem Lasergerät werden nun von der Kleine Scheidegg aus kurze Laserpulse in die Atmosphäre gesendet. Wenn diese Laserpulse auf Aerosole treffen, wird ein kleiner Teil der Energie zurückgestreut. Das zurückgestreute Licht wird mit einem Teleskop aufgefangen und analysiert. Aus der Laufzeit des Laserpulses kann die Höhe bestimmt werden, und aus der Intensität der Rückstreuung die Aerosolkonzentration. Ein komplexer Algorithmus bestimmt nun für jedes Profil den Übergang von hoher zu tiefer Aerosolkonzentration und ordnet diesen der Höhe der planetaren Grenzschicht zu.
Erste Resultate
Die ersten Auswertungen der Daten haben gezeigt, dass das sich das Jungfraujoch in der Periode September 2014 bis Oktober 2015 nur während 4% der Zeit in der planetaren Grenzschicht befand, und zwar für kurze Zeit an 20 Tagen im Sommer und nie im Winter. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass sich das Jungfraujoch während fast der Hälfte der Zeit in der so genannten Injektionsschicht befindet. Diese befindet sich zwischen der Grenzschicht und der freien Atmosphäre und ist ein typisches Phänomen in komplexer Topographie. Beide Schichten weisen eine positive Korrelation mit den Messungen auf dem Jungfraujoch auf, d.h. je höher die Grenz- oder Injektionsschicht, desto grösser ist der Verschmutzungsgrad der Luft. Diese neue Information bezüglich der Grenz- und Injektionsschicht können nun genutzt werden, um die Messungen auf dem Jungfraujoch in Tage mit oder ohne Einfluss lokaler Verschmutzung einzuordnen und damit diese Daten zu identifizieren, die repräsentativ für das globale Klima sind.
Das Team
Yann Poltera hat im Jahr 2013 seinen Master an der ETH Zürich in Computerwissenschaften abgeschlossen und war von 2014 – 2015 Praktikant an der MeteoSchweiz, bevor er sein Doktorat am Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH Zürich begann. Er hat den Algorithmus zur Bestimmung der Grenz- und Injektionsschicht entwickelt. Giovanni Martucci ist seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der MeteoSchweiz und betreute die wissenschaftliche Auswertung der Daten. Ludovic Renaud, Gilles Durieux, Jacques Grandjean, Maxime Hervo und Rolf Rüfenacht sind für den Betrieb der Messung und die Datenverarbeitung zuständig.
Zum Autor
Alexander Haefele, promovierter Physiker, ist seit 2018 Leiter der Abteilung für Atmosphärendaten an der MeteoSchweiz und seit 2016 assoziierter Professor an der Universität von Western Ontario, Kanada. Seit 2013 leitet er das EUMETNET Programm E-PROFILE, das Europaweit mehr als 250 automatische Lidars umfasst, die in Echtzeit Daten zu Aerosolen und Vulkanasche an die Gemeinschaft der Europäischen Wetterdienste liefern.
Kontakt
Alexander Haefele
Abteilung für Atmosphärendaten
MeteoSchweiz
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alexander.haefele@meteoswiss.ch
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